Eine Kostbarkeit im Augsburger Diözesanmuseum
Die urkundliche Erwähnung des Jahres 1312, als Oettingen von der Mutterkirche in Ehingen getrennt und zur selbstständigen Pfarrei erhoben wurde, ist ein markantes Datum in der Geschichte Oettingens. Es gibt nur wenige Zeugnisse aus dieser Zeit, wie zum Beispiel den gotischen Chorraum von St. Jakob, mit dessen Bau im Jahr 1312 begonnen wurde. Ein besonders wertvolles Zeugnis ist das so genannte Oettinger Portatile, ein Tragaltar aus dem Rhein-Maasgebiet um 1160. Es handelt sich dabei um einen Altarstein etwa in der Größe eines DIN-A4-Blattes mit vergoldeter Kupfereinfassung. Die folgende Beschreibung stammt aus dem Ausstellungskatalog des Diözesanmuseums St. Afra in Augsburg.
„Der Oettinger Tragaltar kam am 13. April 1874 als Leihgabe der Stadtpfarrkirchenstiftung St. Sebastian von Oettingen in die Sammlung des Augsburger Diözesanmuseums. Er stammt aus der 1467 von Ulrich von Oettingen gestifteten Kapelle des Hl. Sebastian in Oettingen. Die inschriftliche Weihe des Tragaltars an den Hl. Jakobus lässt darauf schließen, dass er aus der Pfarrkirche St. Jakobus in Oettingen an die Sebastianskapelle übergeben worden war. Als Tragaltar oder Portatile bezeichnet man einen beweglichen Kleinaltar, auf dem in Ermangelung eines geweihten, festen Altars, etwa auf Reisen, die Messe gefeiert werden konnte. Ein Tragaltar besteht aus einem geweihten Altarstein, der meist ein Reliquiengrab deckt und so groß sein muss, dass Kelch und Hostie darauf Platz finden.
Der Altarstein des Oettinger Tragaltars, eine Platte aus Solnhofener Kalkschiefer, wird von gestanzten Ornamentbändern gerahmt, die von schmaleren gravierten Bändern eingefasst werden. Die mittlere und breiteste Borte zeigt bemerkenswert aufwändig gearbeitete, elegante Drachen in gegenständiger Anordnung. Den Altarstein umschließt an drei Seiten eine Inschrift, welche die Heiligen nennt, deren Reliquien im Altargrab geborgen sind: Fabian, Sebastian, Vincenz von Valencia, Hippolytus, Tiburtius, Valerian, Cosmas und Damian sowie Blasius. An der oberen Schmalseite befindet sich eine weitere Inschrift in gotischer Minuskel:
„A(nno) D(omini) M°CCC°LXXI° C(ons)ECRATUM E(st) H(oc) ALTARE IN HONORE O(mn)I(um) SANCTOR(um) I(n) VIGILIA SANCTI IACOBI AP(osto)LI“ – „Im Jahr des Herrn 1371 in der Vigil des heiligen Apostels Jakobus wurde dieser Altar zu Ehren aller Heiligen geweiht“.
Die Ecken sind mit vier farbigen Grubenschmelzplatten besetzt. Sie zeigen Begebenheiten, die typologisch auf den Kreuzestod Christi und die Eucharistiefeier bezogen sind: Die Aufrichtung der ehernen Schlange durch Mose, die Witwe von Sarepta mit den gekreuzten Hölzern, das Opfer Abels und den alttestamentlichen Priesterkönig Melchisedek, der Brot und Wein am Altar darbringt. Die Kanten des Altars umläuft ein gestanztes und vergoldetes Kupferband mit herzförmig angelegten Blattranken. Auf der Braunfirnisplatte der Unterseite ist der gekreuzigte Christus dargestellt, flankiert von ECCLESIA und SYNAGOGA. Ecclesia als Sinnbild der Kirche fängt das Blut aus der Seitenwunde Christi in einem Kelch auf, während sich Synagoge als Sinnbild der Juden mit verbundenen Augen vom Kreuz abwendet.
Die Kreuzigungsszene ist umgeben von den vier Kardinaltugenden FORTITUDO (Tapferkeit) mit Schwert und Schild, IUSTICIA (Gerechtigkeit) mit Winkelmaß und Setzwaage, TEMPERANCIA (Mäßigung), die in zwei Gefäßen Flüssigkeiten zum rechten Verhältnis mischt und PRUDENCIA (Klugheit) mit einer drachenartigen Schlange. Den zentralen Vierpass umläuft kreisförmig eine Inschrift:
„IN PRECIBUS FIXUS STANS PRESUL ET HOSTIA XPC (Christus) VIRTUTES DONAT ANIMAS BEAT ET SACRA MANAT“ – „In Gebeten angeheftet stehend, als Erster und als Schlachtopfer verleiht Christus Tugenden, beglückt die Seelen und verströmt Heil.“
Die Ecken besetzen getriebene und punzierte viertelkreisförmige Beschlagplatten aus vergoldetem Kupfer mit den Evangelistensymbolen. Das Markussymbol fehlt. Auch die seitlichen Rahmenleisten sind in der linken oberen Ecke teilweise abgerissen. Vielfach ist die Vergoldung abgerieben, ebenso der Braunfirnis an den Stellen, an denen die Platte aufgelegen hat. Die kunsthistorische Einordnung des Altars stützt sich bislang vor allem auf die Emails an der Oberseite: „Maasländisch um 1160, aus dem Umkreis des Godefroid de Claire.“