Der Oettinger Friedhof gehört mit seiner südseitigen Hanglage, seinen teils monumentalen Familiengrabstätten und seiner Birkenallee zu den schönsten Friedhöfen im Ries. Vom Eingangsportal her führt der Weg durch symmetrisch angelegte Grabfelder direkt zur lichten Anhöhe der Friedhofskapelle. Ursprünglich wurden die Verstorbenen in Oettingen rund um die St. Jakobskirche bestattet. Außerdem bestand bereits im Mittelalter jenseits der Wörnitz bei dem damaligen Leprosenhaus ein „Gottesacker“ für die dort Verstorbenen, vermutlich auch als Pestfriedhof genutzt. Spätestens 1627 wird er schriftlich erwähnt. 1688 diente er neben den Kirchhöfen in der Stadt als „gemeinschaftlicher Gottesacker“ und man beschloss bereits eine Erweiterung. Ein weiterer kleinerer Kirchhof lag bei der Schlosskirche (heute Gruftkapelle), wo die Angehörigen des Deutschen Ordens und ihre Dienstleute bestattet wurden. Auf einem „Situationsplan“ aus dem Jahr 1799 ist jedoch zwar ein Garten, aber kein Kirchhof eingezeichnet und auch kein sonstiger Hinweis auf Gräber oder Grabsteine enthalten. Mit der Erhebung der Wallfahrtskirche St. Sebastian zur katholischen Pfarrkirche 1542 bzw. endgültig 1563, war auch ein neu anzulegenderKirchhof im Gespräch. Ob etwas daraus wurde, ist unklar. In der Leichenordnung von 1780 wurden die Beisetzungen auf „beeden Kirchhöfen in der Stadt“ untersagt und für jedermann ohne Unterschied des Standes und der Person das Begräbnis „auf dem Gottesacker außerhalb der Stadt“ – also bei St. Anna – verpflichtend. Der steigende Platzbedarf brachte 1804 und 1836 Erweiterungen. Mit der Neuanlage des Friedhofs in der Kellerstraße 1869 wurde der Friedhof bei St. Anna allmählich aufgelöst. Mindestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts versuchte der Oettinger Stadtmagistrat, einen “neuen öffentlichen Begräbnisplatz” anzulegen. Der bisherige bei St. Anna galt “als ganz unpassend gelegen” und mit “mancherlei argen Mängel und Fehlern.” Besonders beklagt wurde der feuchte Boden mit drastischen Schilderungen, wie sich die ausgehobenen Gräber mit Wasser füllten und die Särge gewaltsam unter die Wasserlinie gedrückt werden müssten. Es waren im Endeffekt gesundheitspolizeiliche Beweggründe, die zur Schließung führten.
1869 wurde der „neue Friedhof“ eingeweiht. In der Festschrift „450 Jahre St. Sebastian in Oettingen“ aus dem Jahr 1992 heißt es: „Johann Baptist Messerschmid aus Wiesensteig, von 1824 bis 1869 Stadtpfarrer an St. Sebastian, Dekan, Bezirkskammerer II, Distriktsschulinspektor, Landrat, weihte den Friedhof ein und wurde als Erster dort begraben.“ Von den ursprünglichen, zum Teil monumentalen Plänen wurde eine relativ einfache Version realisiert. Finanziert wurde die Maßnahme durch Kreditaufnahmen und den Lokalmalzaufschlag, eine Art Biersteuer. Zugunsten dieser Baumaßnahme musste die Stadt auf andere Pläne verzichten, der Abbruch des alten Rathaushauses und ein Neubau an anderer Stelle unterblieb. Die Ausführung erfolgte unter Verwendung von Ziegelsteinen aus den örtlichen Ziegeleien. Die Ziegelei Dischinger lag seinerzeit in unmittelbarer Nachbarschaft. Die Bauaufsicht hatte der hiesige Baumeister Friedrich Leitner. An ihn erinnert der am Friedhofseingang rechts stehende Torpfosten, in den der Namenszug „Leitner“ eingemeißelt ist. 1900 wurde der Friedhof erweitert. Die Arbeiten führten italienische Maurer aus, die vor Ort in einer Bauhütte kampierten. Seinerzeit urteilte die Oettinger Zeitung: “In Bezug auf die Lage und Einteilung ist er einer der schönsten weit und breit, was manchmal in Bezug auf Pflege der Einzelgräber nicht zu sagen wäre.” Im Zuge der Erweiterung wurde auch die große Christusfigur nach einer Skulptur von Thorwaldsen aufgestellt.
Die Friedhofskapelle gehörte von Anfang an zur Friedhofsanlage. Im Inneren scheint sie im Stil der Zeit ausgestaltet gewesen zu sein. Auf einem leider stark ausgeblichenen Foto, das Kaplan Högel 1911 machte, ist die Bemalung zu sehen. In den 1960er Jahren wurde die Friedhofskapelle zu einer „Gedächtnisstätte“ umgestaltet. Nach vierjähriger Planungs- und Umbauzeit wurde sie 1964 als Gefallenengedächtniskapelle eingeweiht. Auf sieben monumentalen Steintafeln sind die Namen aller Gefallenen der beiden Weltkriege und der 199 Opfer des Bombenangriffs auf Oettingen am 23. Februar 1945 eingemeißelt. Im Zuge dieser Umbaumaßnahmen wurden vermutlich auch die alten bunten Glasfenster entfernt. Zwei Fenster, St. Petrus und St. Paulus, befinden sich in der Sammlung des Heimatmuseums und stammen vermutlich aus der ehemaligen Friedhofskapelle.
Dr. Petra Ostenrieder