Um die Neugestaltung des Kirchenraumes der Pfarrkirche St. Sebastian zu ermöglichen, wurden im Jahr 1961 die neugotischen Altäre zerlegt und anschließend auf den Kirchendachboden verbracht. Nachdem vor Ostern 2011 der Dachboden entrümpelt und aufgeräumt worden ist, bestand die Möglichkeit, die Einzelteile der neugotischen Altäre zu sichten.
Alle Teile wurden sortiert und zunächst provisorisch zugeordnet. Das Ergebnis überraschte: Hochaltar, Sebastiansaltar, Josefsaltar und Kanzel sind weitgehend noch vorhanden und ohne Holzwurmbefall. Danach wurden die Teile soweit zusammengefügt, dass ein guter Eindruck von der früheren Pracht und überdurchschnittlich hohen Qualität der alten Altäre entstand. Im Zusammenhang mit der Kirchenverwaltungswahl am 18.11.2012 konnten alle Gemeindemitglieder darüber abstimmen, ob das historische Altarensemble bei der Kirchenrenovierung im Jahr 2014 wieder in den Kirchenraum zurückkehren soll. Das Abstimmungsergebnis brachte eine absolute Mehrheit von 57 % für die Wiederherstellung der Altäre.
Den ursprünglichen Hochaltar und die beiden Seitenaltäre mit ihren Figuren sowie Kanzel und Taufstein der Oettinger Pfarrkirche, von denen leider nichts mehr erhalten ist, hat der Bildhauer Johann Nepomuk Petz (1818-1880) im Jahr 1851 vollendet. Johann Nepomuk Petz war ein in München wirkender österreichischer Bildhauer. Er wurde als Sohn eines Grenzaufsehers am 16. Mai 1818 in Lermoos geboren. Nach seiner Bildschnitzerlehre bei Augustin Scharmer in Wildermieming begab er sich nach München, wo er Schüler des Bildhauers Konrad Eberhard wurde und unter den künstlerischen Einfluss der Bildhauer Joseph Otto Entres und Joseph Knabl geriet. Am 13. Oktober 1837 immatrikulierte er sich an der Königlichen Kunstakademie für das Fach Bildhauerei. Nach einer weiteren Tätigkeit im Atelier von Konrad Eberhard machte er sich in München mit einer Bildhauerwerkstatt selbständig. Johann Petz war überwiegend für kirchliche Auftraggeber in Altbayern und Bayerisch Schwaben sowie im österreichischen Mühlviertel tätig. Daneben schuf er mehrere Grabdenkmäler, unter anderem für die Familie Görres sowie den Münchner Theologen Heinrich Klee. Seine Werke, die er der Zeit entsprechend im Stil des Historismus schuf, sind teilweise nicht mehr erhalten.
Der Münchener Architekt Josef Anton Müller, der das Werk seines Lehrers Johann Nepomuk Petz in Oettingen fortgeführt und vollendet hat, wurde am 21. Oktober 1839 in Obergünzburg im Allgäu geboren. Sein Vater Josef Anton Müller (1810-1854) war von Beruf Orgelmacher und hat wegen seines frühen Todes mit 44 Jahren die enorme Karriere seines ältesten Sohnes als Bildhauer und Altarbauer nicht mehr miterlebt. Seine Mutter Hildegard, geborene Ramminger (1798-1876), hat außer Josef Anton noch den Kindern Xaver, Johann Baptist und Hildegard das Leben geschenkt. Josef Anton kam zu einem Schreinermeister in die Lehre, der gerade einen neugotischen Altar nach Hirschzell bei Kaufbeuren auszuführen hatte. Da aber nach dessen Vollendung keine kirchliche Arbeit mehr in Aussicht stand, wanderte Müller 1858 nach München und kam zu Bildhauer Sickinger, der gerade die Kanzel für die Münchener Frauenkirche in Arbeit hatte. Schon im ersten Jahr errang er in der Modellierschule unter 132 Schülern den vierten Preis. Er kam dann zu Architekt Georg Schneider als Bildhauer und dann zu Bildhauer Johann Nepomuk Petz als Architekturzeichner. 1866 machte er sich selbstständig und erhielt kleinere Aufträge, Bildhauerarbeiten und Altarzeichnungen. Bald kamen größere Aufgaben für Kirchenrestaurationen und Kirchenbauten. 1874 richtete er Werkstätten für mehrere Gehilfen, Architekturzeichner, Bildhauer, Schreiner und Vergolder ein. 1880 erhielt Müller den Auftrag, für den Grafen Quadt auf Schloss Moos bei Lindau eine neugotische Kirche nach eigenen Plänen zu bauen und einzurichten. Dann entstanden Pläne für die neue große Pfarrkirche in Fridolfing, für den Umbau des Schlosses in Dachau in eine Pfarrkirche, ferner für Vergrößerungen der Pfarrkirchen Odelzhausen, Germering, Pöttmess, Stotzard, für die Restaurierung des Churer Doms und für viele weitere Kirchen und Kapellen. Kirchenrestaurationen und ganze Einrichtungen erfolgten für Ebertshausen, Ranolsberg, Diepolz, Ingenried, Obergünzburg, Bergkirch, Engelsberg, Utzwingen, Maihingen, Birkhausen, Ursberg (Anstaltskirche), Krumbad, Feldkirch in Vorarlberg (Institutskirche), Schlosskirche in Kreuth und noch mehrere andere in allen Stilarten. Die Zahl der nach eigenen Plänen und im eigenen Atelier ausgeführten Altäre beträgt über zweihundert und zwar nicht nur für Bayern, sondern auch nach Vorarlberg, Tirol, Schweiz, Schlesien und Amerika. Für München fertigte Müller den Altar in der Hauskapelle im Georgianum, den Sakramentsaltar in der Ludwigskirche, den St. Josephsaltar in Giesing, den Hochaltar und Franziskusaltar in der St. Antoniuskirche, den Hochaltar in der Markuskirche und die großen Heiligen Gräber für St. Bonifaz und die Paulskirche. [Quelle: Festgabe des Vereins für Christliche Kunst (1910) 163-164]
Seit 1880 fertigte Josef Anton Müller für den Oettinger Stadtpfarrer Karl Lämmermayer zahlreiche Entwürfe für eine Neugestaltung der Stadtpfarrkirche St. Sebastian in Oettingen an. Es sind handcolorierte Entwürfe zur Ausmalung der gesamten Raumschale mit Kirchendecke und Chorraumgewölbe (1881), zum kompletten Neubau des Josefsaltars und der Kanzel (1882), zur Neugestaltung der Seitenportale (1882), der Kreuzwegstationen (1886) und der Emporenbrüstungen (1893). Fotoaufnahmen aus dem Jahr 1915 im Oettinger Stadtarchiv beweisen, dass alle Entwürfe Müllers realisiert worden sind und dass von den ursprünglichen Altären aus dem Jahr 1851, wenn überhaupt, so höchstens wenige Gehäuseteile oder Figuren des Johann Nepomuk Petz übernommen worden sind. Entwurf und Ausführung des Sebastiansaltars mit integriertem Pestbild und gotischem Kruzifix sind in ihrem Aufbau und ihren Maßen mit dem Josefsaltar identisch und können Josef Anton Müller zugerechnet werden. Einzig der Hochaltar mit seiner wuchtigen Predella und seinem hochgezogenen Mittelturm wirft die Frage auf, ob Müller hier nicht Altarteile von 1851 verwendet hat, sodass die Gehäusetürme, die vier Evangelisten und die Zentralfigur der Muttergottes mit Kind zum Bestand von 1851 gehört haben und lediglich neu gruppiert und mit reicherem Gesprenge versehen sein könnten.