© Eine Produktion des Evangelischen Fernsehens München
Ein Film von Ursula Auginski
Wo der Norden Schwabens allmählich fränkisch wird, liegt die Riesstadt Oettingen. Die hübsche Residenz- und Fürstenstadt hat eine konfessionell ungewöhnlich bewegte und spannende Geschichte. Noch heute kann man an den Fassaden ablesen, dass in Oettingen Evangelische und Katholische Jahrhunderte lang gegen-, neben- und miteinander gelebt haben. Das Heimatmuseum bewahrt die Zeugnisse der konfessionellen Spaltung, bis hin zu den „roten Socken“, die die Katholiken trugen, und die schwarze Bändelhaube, an der eine Frau zu erkennen gab, dass sie in den evangelischen Abendmahlsgottesdienst gehen würde. Oft und gerne würdigte man sich keines Blickes, es kam zu Handgreiflichkeiten und an eine bi-konfessionelle Liebesheirat war gar nicht zu denken.
Wie es zu dieser herrschaftlichen und in der Folge auch konfessionellen Trennung kam, erzählt Stadthistorikerin Dr. Petra Ostenrieder im Gespräch mit Filmemacherin Ursula Auginski. Oettingen war seit 1416 an Straßen und Gassen entlang nach dem Schlüssel aufgeteilt: sieben Zwölftel von „sloß, lande, lute und gute“ für die einen, der Rest für die anderen. Und so gab es einen katholischen und einen evangelischen Bürgermeister, zwei Konfessionsschulen, zwei Hebammen, zwei Wirte und zwei Nachtwächter, über hundert Jahre lang sogar zwei Zeitrechnungen. Sogar die Juden im Ort waren, je nach Wohnlage, „katholische Juden“ oder „evangelische Juden“. Jede Seite achtete sehr genau darauf, dass das fein austarierte Gleichgewicht nicht gestört wurde beispielsweise durch den Verkauf eines „katholischen“ Hauses an Evangelische. Die Toleranz war gewissermaßen institutionalisiert, das sorgte für relative Ruhe. „Blas nicht, was dich nicht brennt, so bleibst du froh bis an dein End“, soll man in Oettingen gesagt haben.
Noch erinnern sich ältere Einwohner an konfessionelle Vorurteile, die sich in abfälligen Äußerungen ausdrückten: „Du lofsch daher wie a Katholische“, solche Kritik konnte noch vor 25 Jahren ein protestantisches Mädchen in Oettingen treffen, wenn es einen modisch bunten Rock trug. Heute spielen die Konfessionsunterschiede keine Rolle mehr, und so hat der traditionelle blaue Rieser Kittel eine Seite mit roter „katholischer“ und eine andere mit weißer „evangelischer“ Stickerei.
Quelle: www.lebensformen-tv.de