Offen für das Licht des Heiligen Geistes

Heilig-Geist-Fenster von Bernini

Heilig-Geist-Fenster von Bernini

Stellen Sie sich vor, Sie könnten auf den Flügeln Ihrer Fantasie nach Rom fliegen. Sie gehen durch das Hauptportal in den Petersdom hinein. Schritt für Schritt durchschreiten Sie den Mittelgang. Die Raumwirkung ist überwältigend. Ganze zwei Fußballfelder müssen Sie auf dem edlen Marmorboden zurücklegen, bis Sie den Altarraum erreichen. Sie gehen bis ganz nach vorne, wo sonst immer der Hochaltar steht. Aber stattdessen ist da nur ein riesiges, 20 Quadratmeter großes, ovales Fenster. Rundherum ist alles mit edelster Kunst zugebaut: Papstaltar, Baldachin, Papstthron, Altäre, Grabmäler, Mosaiken. Wo man den Höhepunkt des Ganzen vermuten würde, lässt dieses Fenster einfach nur das Licht der Sonne wirken. Das Fenster ist aus Alabaster gebildet, der gelblich schimmert, weicher Marmor, so hauchdünn geschnitten, dass das Tageslicht ihn leicht durchdringen kann. Und in der Mitte des Ovals breitet eine weiße Taube ihre Flügel aus. Das ist das weltberühmte Heilig-Geist-Fenster von Gian Lorenzo Bernini. Es wird von einer wahren Heerschar an Engeln umgeben, die ebenso plastisch geformt sind wie die fünf Strahlenbündel rings um das Fenster. In den Augen des Künstlers entfaltet das Licht des Heiligen Geistes eine solche Energie, dass sich einige Engel sogar an den Strahlen festklammern müssen, um nicht weggeblasen zu werden. Wolkenknäuel werden zwischen den Engeln zur Seite gedrängt. Was für eine geniale Idee – die Mitte und den Höhepunkt des Altarraums nicht nochmals zuzubauen, sondern mit einem Fenster offen zu lassen, damit die Sonne hereinkommen kann. Alle anderen Kunstwerke jenseits dieses Fensters leben ja vom Tageslicht, weil sie nicht aus sich selbst heraus leuchten können. Ohne Licht wäre alle Kunst vergeblich, alles ohne Farbe und Form, alles grau in grau. So ist es auch mit dem Heiligen Geist. Erst sein Licht lässt die Farben des Lebens sichtbar werden. Dieses ovale Heilig-Geist-Fenster steht für das Licht des Heiligen Geistes, für Weite und für Freiheit. Hier ist das Tor zum Himmel! Die entscheidenden Dinge im Leben müssen offen bleiben! Stellen Sie sich vor, sie könnten im Glanz der untergehenden Sonne vor diesem Fenster stehen. Dann wäre das Wunder perfekt. Denn von Westen her scheint dann die Abendsonne durch das Alabasterglas in den Altarraum, ein mildes, wärmendes Licht, das Sie sogar auf Ihrer Haut spüren können. Wir wollen immer wieder die Seele in diese Sonne halten, in das Licht, das von Gott her kommt. Mit einer alten Pfingstsequenz aus dem 13. Jahrhundert beten wir:

Komm herab, o Heil’ger Geist, der die finstre Nacht zerreißt, strahle Licht in diese Welt.

 Komm, der alle Armen liebt, komm, der gute Gaben gibt, komm, der jedes Herz erhellt.

 Höchster Tröster in der Zeit, Gast, der Herz und Sinn erfreut, köstlich Labsal in der Not.

 In der Unrast schenkst du Ruh, hauchst in Hitze Kühlung zu, spendest Trost in Leid und Tod.

 Komm, o du glückselig Licht, fülle Herz und Angesicht, dring bis auf der Seele Grund.

 Ohne dein lebendig Wehn kann im Menschen nichts bestehn, kann nichts heil sein noch gesund.

 Was befleckt ist, wasche rein, Dürrem gieße Leben ein, heile du, wo Krankheit quält.

 Wärme du, was kalt und hart, löse, was in sich erstarrt, lenke, was den Weg verfehlt.

 Gib dem Volk, das dir vertraut, das auf deine Hilfe baut, deine Gaben zum Geleit.

 Lass es in der Zeit bestehn, deines Heils Vollendung sehn und der Freuden Ewigkeit. Amen.

 Ulrich Manz

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