Meditationen über das Vater unser

Er hält die ganze Welt in seiner Hand

Er hält die ganze Welt in seiner Hand

Vater unser im Himmel – Mit Jesus Christus beten wir dich als unseren gemeinsamen Vater an, als Quelle des Lebens, als Ursprung allen Seins. Du bist unser Vater und wir sind deine Kinder, Söhne und Töchter Gottes, Brüder und Schwestern in Christus. Auf einmal wird dieses namenlose Universum für uns zur Heimat, zu deiner guten und geliebten Schöpfung. Und aus Milliarden anonymer Menschenmassen wird eine Menschheitsfamilie, die sich von dir erkannt und geliebt weiß. Du bist unser Vater und unser Schöpfer. Der Ort, an dem du wohnst, ist der Himmel. Denn wer wie wir mit Christus betet, der lenkt sofort den Blick zum Himmel, hinauf zum Licht, hinein in die himmlische Weite, zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes. Dein Himmel, das ist unser Zuhause. Von dort sind wir, wie Christus einst, im ersten Augenblick unseres Daseins aus dir hervorgegangen, und fortan lebt und webt und atmet dein Heiliger Geist in uns, mit jedem Herzschlag und mit jedem Atemzug. Dorthin kehren wir am Ende unserer Tage zurück. Im Himmel findet alles seinen Ursprung, seine Mitte und sein Ziel, dort, wo du von Ewigkeit her unser Vater bist und in deiner unendlichen Weite und Klarheit Luft zum Atmen und Spielraum zum Leben schenkst.

Geheiligt werde dein Name – So sprechen wir als Menschen, die wie Jesus Christus in Gott verliebt sind. Dein Name ist uns kostbar. Indem wir deinen Namen heilig halten, heilt und heiligt dein Name unsere Seele. Indem wir deinen Namen preisen, bekommst du als Gott für uns ein unverwechselbares Gesicht, eine Persönlichkeit, ein Gegenwärtig­sein, das du bereits dem Mose am brennenden Dornbusch geoffenbart hast, als du sagtest: Ich bin, der ich bin. Ich bin schon immer da. Ich bin da für euch. Ich bin ich selbst. Ich bin euch Menschen offenbar. Ich wende mich euch zu. Wir können nur staunen und anbeten, indem wir deinen Namen in einem lebendigen Gottesbewusstsein wachrufen und wachhalten. Deinen Namen zu heiligen bedeutet für uns, in deiner höchstpersönlichen Nähe und Gegenwart zu bleiben, wach und aufmerksam zu sein, eben weil du da bist und täglich neu als der unverwechselbare eine Gott auf uns zukommst.

Dein Reich komme – Gott, du Schöpfer des Himmels und der Erde, du schautest deine Schöpfung an und sagtest: Siehe, alles ist sehr gut. Du willst in deiner Schöpfung gegenwärtig sein, vom Ursprung her und bis ans Ende der Zeiten. In deiner Schöpfung bist du als ihr Schöpfer gegenwärtig, durch deinen Schöpfergeist, mit dem du alles so weise durchdacht hast, durch deine Herrlichkeit, mit der du deine Schöp­fung so majestätisch und unvergänglich strahlend vergoldest. Du willst alles Geschaffene durchdringen, aufbauen, erfüllen und verklären. Dein Reich kommt jeden Augenblick zu uns, weil du beständig in deine Schöpfung hineinreichst, sie bereicherst und erfüllst. Dein Einfluss möge immer weiterreichen und alles Geschaffene durchdringen, wie die Sonne, die alles mit Leben und Wärme erfüllt, und wie die Lebenskraft, die alles auf Erden wachsen und erblühen lässt. Durch deine Weisheit bewirkst du, dass deine Schöpfung immer intensiver durchdacht, geistreich, erkenntnisreich und wertvoll wird, reich an Wert, reich an Würde, reich an Gnade.

Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden – Wie tröstlich ist uns der Gedanke, dass diese Welt und alles in der Unendlichkeit des Universums von dir gewollt ist. Ja, es war dein Wille, dass die Finsternis des Chaos dem Licht des Kosmos gewichen ist. Es ist und bleibt dein Wille, dass das Leben auf dieser Welt beständig weiter­geht. Dein Wille gibt allem Geschaffenen Mut zum Leben und vor allem auch Freude am Leben. Und jedes Mal, wenn unser kleiner menschli­cher Wille mit deinem großen schöpferischen Willen harmoniert, geschieht eine neue Schöpfung, eine Sternstunde des Heiligen Geistes. Auch hier ist uns Jesus Christus ein Vorbild, der in seinem Leben stets danach strebte, deinen göttlichen Willen zu erfüllen. Lass uns deinen Willen, der so unsichtbar und doch so machtvoll alles bis ins kleinste Detail am Leben erhält, mit allen Sinnen aufnehmen. Wir können deine Schöpfung als Manifestation deines beständig anwesenden Willens durchdenken, erkennen und wollen, eben weil diese Schöpfung von dir selbst durchdacht, erkannt und gewollt ist.

Unser tägliches Brot gib uns heute – Demütig bitten wir dich um unser tägliches Brot, weil unser eigener Hochmut uns sonst verhungern ließe. Wie oft sind wir unfähig, das Brot miteinander zu teilen. Jeder denkt nur an sich selbst. Doch du bist anders, Gott. Dir ist es eine Freude, deine milde Hand zu öffnen und reichlich zu schenken, was wir zum Leben und zum Überleben brauchen. Du bist ein Gott, der nicht nur auf geistige Weise aufbaut, sondern der tatsächlich und täglich ernährt, der uns im Dasein hält. Du bist der nahe und gegenwärtige Gott, nicht nur der Gott der Väter oder der Gott der Zukunft allein, sondern in allem der Gott der Gegenwart. Du Gott bist ein heutiger Gott, jeden Tag neu, ewig jung, nicht fern und fremd, sondern höchst aktuell, stets am Augenblick interessiert, voll schöpferischer Leichtig­keit, wie eine Melodie, die aus dem Augenblick heraus erklingt, um im nächsten Moment wiederum ganz anders und dennoch treffend dem Gegenwärtigen gerecht zu sein. Wie dankbar können wir dir sein, weil du uns frisches und köstliches Himmelsbrot bist, weil du uns nährst mit deinem Wort, mit deinem Heiligen Geist, mit deiner Gegenwart.

Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern – Nichts kann die Wunden unseres sterblichen, gefährde­ten und zerbrechlichen menschlichen Daseins besser heilen, nichts ver­mag die Nöte der Seele besser zu lindern, nichts die Befangenheit eines schlechten Gewissens nachhaltiger zu erlösen und zu befreien als das Eingeständnis unserer Schuld. Aus eigener Schuld und eigener Gedankenlosigkeit heraus sind wir achtlos an deiner göttlichen Gegenwart vorübergegangen. Vergib uns unsere Schuld, wo immer wir dein lebensspendendes Wort überhört und das Wirken deines Heiligen Geistes übersehen haben. Wie oft haben wir aus eigener Schuld, aus Bequemlichkeit und Gedankenlosigkeit versäumt, dir mit ausgestreck­ten Armen entgegenzugehen, weiter zu wachsen, zu reifen, uns zu entfalten, um dir immer ähnlicher zu werden. Weil wir wissen, dass du barmherzig und gnädig bist, langmütig, reich an Huld und Treue, deshalb wissen wir zugleich von vornherein, dass du die Schuld vergeben wirst, und deshalb preisen wir dich mit unserer Bitte als den, der uns die Schuld vergibt, noch ehe wir ihn darum bitten.

Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen – Du bist der Schöpfer höchstpersönlich, nie enden wollende Kreativität, immer reich an Ideen darüber, wie das Leben voran­gebracht und gerettet werden kann. Aber wie groß ist für unseren kleinen und schwachen menschlichen Willen die Versuchung, der Zerstörungswut nachzugeben, zu zerstören, zu vernichten, einfach aus Lust und Laune, vielleicht auch aus Rachsucht und Unbeherrschtheit. Wir sind in Gefahr, die Welt um uns herum, unsere Mitmenschen und uns selbst zu zerstören, und wir brauchen tragischerweise nicht einmal einen Grund dafür. Es geschieht einfach so, selbstmörderisch, ins Chaos der Vernichtung stürzend. Du ewig lebendiger Gott, erlöse uns von dem Bösen. Mit dir an unserer Seite können wir das Böse überwinden. Mit dir zusammen können wir gegen das Böse angehen. Als Teil deines göttlichen Wesens und Wirkens in dieser Welt können wir das Böse abwerfen wie ein guter und gesunder Weinstock, der stets danach strebt, Frucht zu bringen, auch wenn die dürren Zweige und abgestorbenen Äste sein Wachstum zu bedrohen scheinen. Das letzte Wort hat dennoch die göttliche Schöpferkraft des Seins.

Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen – Du guter Gott, wir danken dir aus ganzem Herzen, dass du uns so nahe bist, wie dein geliebter Sohn Jesus Christus uns dies geoffenbart hat: wie ein barmherziger Vater, wie ein guter Hirte, wie ein Vater, der sich seiner Kinder erbarmt. Wo dein Lebensatem, dein Heiliger Geist und deine göttliche Gegenwart die Schöpfung durchdringen, da erfahren wir den überbordenden Reichtum dessen, was wir als Herrlichkeit wahrnehmen. Dies ist die unendlich hohe und erhabene, souveräne und majestätische, edle und klare, feierliche und makellose Wesensart, die du mit deiner Nähe zu deiner Schöpfung wie einen goldenen Schimmer über alles legst, voller Zuneigung zu allem Lebendigen, voller Schönheit und Pracht, voller zuvorkommender Bereitschaft, uns gnädig und wohlwollend zu begegnen. In allem Werden, Sein und Vergehen ahnen wir, dass du, o Gott, eines Tages mit deiner Schöpfung ans Ziel gekommen sein wirst. Dann wird alles vollendet sein: vollkommene Gegenwart und strahlende Unsterblichkeit, ohne Anfang und Ende, Herrlichkeit in Ewigkeit. Dass dies in dir, o Gott, auf uns zukommt und so unser ewiges, unsterbliches Ziel ist, das macht uns so glücklich und froh. Ja, so sei es. Amen.

Ulrich Manz

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