Mahl der Liebe ohnegleichen

Christus-Johannes Gruppe in Heiligkreuztal

Christus-Johannes Gruppe in Heiligkreuztal

Im Kloster Heiligkreuztal im Landkreis Biberach wird seit über 700 Jahren eine gotische Kostbarkeit verehrt. Es ist die so genann­te Christus-Johannes-Gruppe, eine Skulptur aus Nussbaumholz, einen Meter hoch, geschaffen von Meister Heinrich aus Konstanz. Diese Darstellung war in mittelalterlichen Klöstern sehr beliebt. Sie geht zurück auf einen unscheinbaren Satz im Abend­mahlsbericht des Evangelisten Johannes. Dort heißt es: „Einer von den Jüngern lag an der Seite Jesu; es war der, den Jesus liebte.“ (Joh 13, 23) Erstaunlich, wie genau früher die Künstler und Mönche ihre Bibel gelesen haben. Jeder Einzelheit sollte damals Beachtung geschenkt werden. Erstaunlich auch, dass mit dieser Darstellung eine ganz bestimmte Seite am letzten Abend­mahl zur Geltung kommt, die dem Ganzen erst seinen tieferen Sinn verleiht. Es war nicht nur ein jüdisches Paschamahl, sondern Zeichen und Ausdruck der übergroßen Liebe, die Jesus zu seinen Jüngern hatte. Er wollte ihnen kurz vor seinem Tod zeigen, wie lieb er sie hatte. Deshalb wusch er ihnen die Füße und reichte ihnen Brot und Wein, damit es ihnen an nichts fehlte. In diesen heiligen Zeichen schenkte er sich selbst mit Fleisch und Blut, eine einzige große Umarmung oder, wie Thomas von Aquin es ausgedrückt hat, ein „Mahl der Liebe ohnegleichen.“ Genau das hat der Künstler dargestellt. Johannes hat die Augen geschlossen und legt seinen Kopf auf die Brust des Herrn. Er kann sogar seinen Herzschlag hören. Jesus sitzt ihm zur Seite, die linke Hand auf seiner Schulter, die rechte Hand nach oben offen, um die Hand des Johannes zu wärmen und zu stützen. Begeben wir uns bei jeder Heiligen Messe in diese innige Liebe Christi hinein! Lassen wir uns von ihm trösten. Ruhen wir an seiner Brust. Wie eine Braut sich an ihren Bräutigam anlehnt, wie ein Kind bei der Mutter Schutz und Wärme sucht, so mögen wir in Liebe mit Jesus Christus verbunden sein. Mit Thomas von Aquin beten wir: „Gott ist nah in diesen Zeichen. Kniet hin und betet an. Das Gesetz der Furcht muss weichen, da der neue Bund begann. Mahl der Liebe ohnegleichen – nehmt im Glauben teil daran.“

Ulrich Manz

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