Mit dem ersten Augenblick seiner Geburt ist Jesus Christus in ein einzigartiges und sehr vertrautes Verhältnis zu seinem himmlischen Vater eingetreten. Zwischen Gott Vater und seinem Sohn Jesus Christus hat sich ein Lichtraum aufgetan, der fortan allen Kindern Gottes offen steht und zum Dialog mit Gott einlädt. Christus nimmt uns hinein in seine Liebesbeziehung zum Vater. Diesen Lichtraum der innigen Verbundenheit von Gott und Mensch, von Vater und Sohn, von Schöpfer und Geschöpf nennen wir den Heiligen Geist. Im Heiligen Geist stehen wir in ständiger Zwiesprache mit Gott. Im Heiligen Geist ist Gott uns nahe und gegenwärtig. Im Heiligen Geist erfahren wir Gott als unverwechselbare, faszinierende Persönlichkeit, von der es im Buch der Psalmen heißt: „In Gerechtigkeit werde ich dein Angesicht schauen, mich satt sehen an deiner Gestalt, wenn ich erwache.“ (Ps 17, 15)
Einmal erwacht, vermag ich alles um mich herum als von Gottes persönlicher Note geprägt wahrzunehmen. Alles atmet göttliche Wirklichkeit. Alles Leben erscheint dem Auge des Geistes auf einmal so klug und durchdacht, so vorausschauend und weise, so reichhaltig und kostbar, so majestätisch und erhaben, dabei doch so gütig und menschenfreundlich. Einer der ersten, die diesen Lichtraum betreten haben, war der Apostel Paulus. Er hat den auferstandenen und erhöhten Christus wahrgenommen und davon Zeugnis abgelegt, dass Gott alle, die ihn lieben und auf seine Stimme hören, mit dem Glanz seiner Herrlichkeit erfüllt. “Denn Gott, der sprach: Aus Finsternis soll Licht aufleuchten!, er ist in unseren Herzen aufgeleuchtet, damit wir erleuchtet werden zur Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi.” (2 Kor 4, 6) Durch dieses Glaubenszeugnis ermutigt, strecke ich Gott meine Arme entgegen und stimme in den Lobpreis des eucharistischen Hochgebets ein, um mit Blick auf Jesus Christus zu bekennen: „Durch ihn und mit ihm und in ihm ist dir, Gott, allmächtiger Vater, in der Einheit des Heiligen Geistes alle Herrlichkeit und Ehre, jetzt und in Ewigkeit. Amen.“ In der Einheit des Heiligen Geistes mit Gott untrennbar verbunden zu sein – das ist der große und beseligende Entwurf der christlichen Existenz, eine Geisteshaltung, welche die ganze Welt umarmt und sie dem Schöpfer des Himmels und der Erde näherbringt.
In der Einheit des Heiligen Geistes zu leben bedeutet zugleich, jene Einheit in Vielfalt anzustreben, von der in den Gemeinschaftsgleichnissen des Neuen Testaments die Rede ist. Die Einheit des Heiligen Geistes gleicht einem Senfkorn, das zu einem großen Baum heranwächst (Mt 13, 31-32), einem Weizenkorn, das reiche Frucht bringt (Joh 12, 24), einem Weinstock mit seinen Rebzweigen (Joh 15, 5), einem Leib mit seinen Gliedern (1 Kor 12, 12-30) und einem geistigen Haus aus lebendigen Steinen (1 Petr 2, 5). In allem gilt: „Der Geist des Herrn erfüllt den Erdkreis und er, der alles zusammenhält, kennt jede Stimme.“ (Weish 1, 7) In der Einheit des Heiligen Geistes erfreut der Schöpfer sich seiner Geschöpfe: „Du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von dem, was du gemacht hast; denn hättest du etwas gehasst, so hättest du es nicht geschaffen. Wie könnte etwas ohne deinen Willen Bestand haben oder wie könnte etwas erhalten bleiben, das nicht von dir ins Dasein gerufen wäre? Du schonst alles, weil es dein Eigentum ist, Herr, du Freund des Lebens. Denn in allem ist dein unvergänglicher Geist.” (Weish 11, 24-26; 12, 1)
Nun liegt es an uns, die Einheit des Heiligen Geistes immer wieder neu zu verwirklichen. Dies bedeutet, mit den Augen Jesu auf den himmlischen Vater zu sehen, Gottes Nähe zu suchen und wie Jesus am Herzen des himmlischen Vaters zu ruhen. (vgl. Joh 1, 18) Es bedeutet, mit Bewunderung, Wohlwollen und Güte so auf die Schöpfung zu blicken, wie Gott selbst es getan hat, als er über sein Schöpfungswerk sagte: „Siehe, es war alles sehr gut.“ (Gen 1, 31) Die Geistesverwandtschaft mit Gott, wie sie den Kindern Gottes offensteht, lässt uns letztlich untrennbar mit Gott verbunden bleiben, denn er ist “ein unbeirrbar treuer Gott.” (Dtn 32, 4) „Meine Seele hängt an dir, deine rechte Hand hält mich fest.“ (Ps 63, 9)
Ulrich Manz