Es könnte alles so einfach sein mit der Kirche. Denn dieser zweitausend Jahre alte und mitunter recht kompliziert gewordene Apparat hat einmal ganz einfach und natürlich begonnen. Jesus Christus hat gesagt: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ So einfach ist das. Wir tun gut daran, uns immer wieder auf diese klare Quelle der christlichen Botschaft zu besinnen. Mag die Kirche auch noch so groß geworden sein, weltweit verbreitet und allumfassend, so kann sie doch nur am Leben bleiben, wenn sie in den allerkleinsten Einheiten gesund und munter ist, wie bei den kleinsten Zellen eines Körpers.
Zwei oder drei – so war es auch bei den Jüngern auf ihrem Weg nach Emmaus. Sie sprachen miteinander, und da kam Jesus hinzu und ging mit ihnen. Fragen und Antworten wurden ausgetauscht. Sie kamen miteinander ins Gespräch. Sie blieben miteinander unterwegs. Sie sprachen in Emmaus das Tischgebet und hielten Abendmahl. Was für ein wunderbares und bodenständiges Beispiel gelebter Kirche – versammelt in Jesu Namen. Glauben bedeutet, mit Gott, mit Jesus und miteinander im Gespräch zu bleiben, und zwar so, wie es Sonntag für Sonntag im Gottesdienst geschieht. Dieses besondere gemeinsame Gespräch mit Gott vollzieht sich in unseren Liedern und Gebeten, im Zuhören, in der Verkündigung des Wortes Gottes und im Brechen des Brotes. Ich finde es erstaunlich, dass gerade junge Leute in der heutigen Zeit ein gutes Gespür für diese einfache Quelle des christlichen Glaubens entwickeln. Sie interessieren sich für die Gebetsgemeinschaft von Taize, für Weltjugendtage und Lobpreisgottesdienste. Da muss nicht erst ein großer Kirchenapparat zum Laufen gebracht werden. Nein, die Spontaneität und Begeisterung, bei Gottesdiensten im Freien ebenso wie beim Bibelgespräch oder einer Katechese im kleinen Kreis, das ist es, was erfahrbar macht, dass Jesus tatsächlich da ist, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind.
Von den Jüngern auf ihrem Weg nach Emmaus lernen bedeutet, zwei Grundsätze zu verinnerlichen. Erstens: Christsein bedeutet, unterwegs zu sein. Ich will versuchen, jeden Tag neu aufzubrechen, nicht am Vergangenen zu hängen, neue Wege zu suchen und geistig fit und beweglich zu bleiben. Zweitens: Christsein bedeutet, miteinander im Gespräch zu bleiben. Ich will versuchen, zuallererst mit Gott im Gespräch zu bleiben und die Worte der Heiligen Schrift zu mir sprechen zu lassen. Aber auch der geistige Austausch mit meinen Mitmenschen ist außerordentlich wichtig. Vieles begreift man nämlich erst dann, wenn man seine Gedanken formuliert, ausgesprochen und geklärt hat, sozusagen als Akt der Selbstvergewisserung und der Verdeutlichung.
Der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber hatte vollkommen recht, als er in seiner Dialogphilosophie die Maxime aufgestellt hat: „Der Mensch wird am Du zum Ich.“ Das Ich verkümmert ohne die lebendigen und emotional so bereichernden zwischenmenschlichen Beziehungen. Wo Ich und Du einander begegnen, wächst ein starkes Wir-Gefühl, das von Anfang an und bis zum heutigen Tag die eigentliche Stärke des Christentums ist. Wir tun gut daran, uns auf dieses lebendige Gefüge einzulassen, denn es macht das Leben in Jesu Namen so vielfältig und geistreich. Glaube ist kein Monolog, sondern ein Dialog, keine Betonfläche, sondern eine Blumenwiese, nicht einsilbig, sondern mehrstimmig, wie ein gesungener Kanon, bei dem sich die verschiedenen Stimmen ihre Melodien gegenseitig zusingen und dadurch das Wirken des Heiligen Geistes erfahrbar machen.
Ulrich Manz