Gott in allen Dingen finden! Das war das Lebensmotto des heiligen Ignatius von Loyola, des Gründers des Jesuitenordens. Allerdings war Ignatius der Glaube an Gott nicht von Anfang an in die Wiege gelegt worden. Ihm schwebte zunächst eher eine weltliche Karriere vor Augen. Ignatius wurde 1491 in Azpeitia im spanischen Baskenland geboren. Als Mitglied des Hochadels erhielt er seine Ausbildung am Hof des Königs von Navarra. Bei der Verteidigung der Festung Pamplona im Jahr 1521 zerschmetterte eine Kanonenkugel sein rechtes Bein. Im Krankenlager veränderte sich sein Leben. Er begann, sich am Vorbild der Heiligen zu orientieren und in der Nachfolge Christi zu leben. Er scharte Gefährten um sich, mit denen er in der Seelsorge wirkte. 1540 wurde die Gründung seines neuen Ordens mit dem Namen Gesellschaft Jesu vom Papst bestätigt. Außerdem legte Ignatius den Grundstein für zwei Tätigkeitsbereiche, die den Jesuitenorden bis heute prägen: die Führung von Schulen und die Missionstätigkeit. Ignatius von Loyola starb 1556 in Rom und wurde 70 Jahre später heiliggesprochen.
Der zentrale Gedanke in der Spiritualität des heiligen Ignatius von Loyola bestand in dem Motto: Gott in allen Dingen finden! Er schreibt: „Gott in allen Dingen suchen und finden, im Sprechen, im Gehen, Sehen, Schmecken, Hören, Denken, überhaupt in allem, was wir tun.“ Damit ist er dem heiligen Franziskus ähnlich, der Gott auch in allen Dingen zu finden vermochte. Sein Sonnengesang macht das sehr anschaulich. „Gelobt seist du, mein Herr.“ Franziskus fand die Herrlichkeit Gottes in allen Geschöpfen, besonders in allem was Mutter Erde uns in so reichem Maße schenkt: Früchte, Kräuter und bunte Blumen, Wasserquellen, Tiere und Pflanzen. Alles atmet bei Franziskus die Gegenwart Gottes. In allem ist Gott uns nahe.
Gott in allen Dingen finden – dieses Lebensmotto kann auch uns weiterhelfen und geistig bereichern. Denn wir moderne und aufgeklärte Menschen sind dabei, in unserem Leben alles Mögliche zu finden, nur nicht das, worauf es ankommt. Ständig sind wir auf der Suche nach uns selbst, nach dem, was spannend und unterhaltsam sein mag, und kommen doch nie zur Ruhe. Wir suchen und finden immer nur Nebensächliches und wundern uns dann, warum alles so sinnlos erscheint. Dabei wäre es so einfach, wenn wir uns nur auf die Suche nach Gott begeben würden. Denn er ist die Quelle des Lebens. Er ist es, bei dem wir Kraft tanken und glücklich werden. Genauso hat es der Prophet Jesaja gesehen: „Sucht den Herrn, er lässt sich finden, ruft ihn an, er ist nahe!“ (Jes 55, 6) Gott in allen Dingen finden, das bedeutet: Gott spricht zu mir in den Wundern der Natur. Gott spricht zu mir durch die Begegnung mit meinen Mitmenschen. Gott spricht zu mir in der Tiefe meines Herzens und in der Vielfalt der Gedanken.
Der Jesuitenpater Alfred Delp, der 1945 von den Nationalsozialisten ermordet wurde, beschreibt das Lebensmotto des Ignatius mit seinen eigenen Worten so: „Die Welt ist Gottes so voll. Aus allen Poren der Dinge quillt er gleichsam uns entgegen. Wir aber sind oft blind. Wir bleiben in den schönen und den bösen Stunden hängen und erleben sie nicht durch bis an den Brunnenpunkt, an dem sie aus Gott herausströmen. Das gilt für alles Schöne und auch für das Elend. In allem will Gott Begegnung feiern und fragt und will die anbetende, hingebende Antwort.“
Ulrich Manz