Christus ist unser Osterlamm

Osterlamm in der Kathedrale von San Benedetto del Tronto

Osterlamm in der Kathedrale von San Benedetto del Tronto

In der römischen Antike entstand der Ausspruch HOMO HOMINI LUPUS: Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. Eigentlich müsste man sagen: Noch viel schlimmer als Wölfe sind Menschen, wenn sie brutal und gewalttätig übereinander herfallen. Da sind die eher scheuen, intelligenten und in Rudeln sehr sozial zusammenlebenden Wölfe ja richtige Heilige, verglichen mit dem, was im Wesen des Menschen so alles schlummert. Und weil das so ist, deshalb hat die christliche Botschaft gegen diese Wolfsmentalität des Menschen ein starkes Gegenbild gesetzt, von dem es in der Bibel heißt, dass es letztlich immer stärker sein wird als alles Böse und dass es den Tod überwindet. Das ist das Gegenbild des Lammes. Und dieses Lamm trägt in der Bibel auch einen Namen: Jesus Christus, das Lamm Gottes.

Der Evangelist Johannes schreibt in seiner Geheimen Offenbarung: „Ich sah das Buch des Lebens, mit sieben Siegeln verschlossen. Aber niemand im Himmel, auf der Erde und unter der Erde konnte das Buch öffnen und es lesen. Da weinte ich sehr. Da trat das Lamm heran und alle fielen vor ihm nieder.  Und sie sangen ein neues Lied: Würdig bist du, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen; denn du wurdest geschlachtet und hast mit deinem Blut Menschen für Gott erworben aus allen Stämmen und Sprachen, aus allen Nationen und Völkern.“ (Offb 5, 1-9) Es ist klar, dass damit auf die Botschaft und auf das Schicksal des Jesus von Nazaret angespielt wird, der für uns am Kreuz sein Blut vergossen hat. Er hat sein Leben für seine Freunde hingegeben und wollte, am Kreuz erhöht, alle an sich ziehen. (Joh 12, 32)

Der Erste, der erkannt hat, dass Jesus im wahrsten Sinne des Wortes lammfromm war, das war Johannes der Täufer. Als er Jesus auf sich zukommen sah, sagte er zu seinen Jüngern: „Seht das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt.“ (Joh 1, 29) Nicht der Löwe, nicht der Wolf, sondern nur das Lamm überwindet die Sünde der Welt. Gewalt erzeugt immer nur wieder Gewalt. Selig, die keine Gewalt anwenden und Frieden stiften, denn sie werden Kinder Gottes genannt. (Mt 5, 5-9) Wolfsmenschen bringen sich gegenseitig um. Friedensboten jedoch werden im Zeichen des Lammes immer und immer wieder auferstehen. Sie sind nicht totzukriegen. Das Zeichen des Lammes trägt in sich viele edle und bewundernswerte Eigenschaften, die wir in uns stärken, weiterentwickeln und zur Entfaltung bringen können.

  • Da geht es zunächst darum, unschuldig wie ein Lamm im Leben zu stehen, mit reinem Herzen und reinem Gewissen, mit Liebe zur Wahrheit und stark gegen alle Einflüsterungen des Bösen.
  • Außerdem ist das Lamm ein sanftes und friedliches Tier, überhaupt nicht gewalttätig, ein hervorragendes Beispiel für den Geist der Seligpreisungen, wo es darum geht, Frieden zu stiften und keine Gewalt anzuwenden.
  • Dann ist das Lamm ja ein Herdentier, gesellig, durch und durch sozial veranlagt, wogegen wir Menschen meistens aufbegehren und sagen: Ich bin doch kein blödes Schaf, das der Herde nachtrottelt! Dabei ist doch der Zusammenhalt in der Herde und die Schicksalsgemeinschaft mit einem guten Hirten etwas so Schönes und Erfüllendes. Das ist mir allemal lieber als diese asozialen Individualisten und Egoisten, wo sich keiner mehr um den anderen kümmert und jeder nur die Allgemeinheit ausbeutet, um sich finanziell und emotional zu bereichern.
  • Sodann sehe ich im Lamm eine ungeheure Opferbereitschaft. Das Lamm ernährt seinen Hirten, als Schaf gibt es Milch und Wolle, am Ende sogar sein Fleisch, damit der Mensch leben und überleben kann. Was für ein selbstloses Tier! Und wir Menschen drehen jeden Cent dreimal um, bevor wir bereit sind, etwas von unserem Wohlstand und Überfluss abzugeben.
  • Eine besonders sympathische Eigenschaft beim Lamm ist seine hohe emotionale Intelligenz, also seine Fähigkeit zum Mitgefühl. Die Biologie hat gut erforscht, dass Lämmer bzw. Schafe ein vielfältiges Gefühlsleben haben, und dass sie sich Gesichter und Gesichtszüge von Menschen und Artgenossen über Jahre hinweg merken können. Es ist also kein Märchen, wenn der gute Hirte sagt: „Sie hören auf meine Stimme. Ich kenne sie und sie folgen mir.“ (Joh 10, 27)

Nun wird auch klar, warum es einzig dem Lamm mit seinen guten und lebensbejahenden Eigenschaften gelingen kann, das siebenfach versiegelte Buch des Lebens mit allen seinen Rätseln, seinen Ungerechtigkeiten, seinen Sinnlosigkeiten und seinem zerstörerischen Potential zu öffnen, dieses Buch zu verstehen, seine Rätsel zu lösen und mithin die Menschheit zu erlösen. Jesus Christus, unser Osterlamm, ist unschuldig, friedliebend, gemeinschaftsstiftend, selbstlos und voller Mitgefühl. Das Lamm Gottes möge uns alle nach seinem Bild und Gleichnis formen, damit die Menschheit aus der Finsternis der Sünde herausfindet und zu neuem und ewigem Leben aufersteht!

Ulrich Manz

Dann ruht der Wolf beim Lamm (Jesaja 11,,6)

Dann ruht der Wolf beim Lamm (Jesaja 11,,6)

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.