Bilde unser Herz nach deinem Herzen

Herz Jesu

Herz Jesu

Im Jahr 1899 hat der damalige Papst Leo XIII. zur Vorbereitung auf das Heilige Jahr 1900 die Weihe der Menschheit an das Heiligste Herz Jesu vollzogen. Heutzutage klingt das wie aus der Zeit gefallen. Wer von uns könnte im Jahr 2022 noch etwas anfangen mit der damals so beliebten und weit verbreiteten Herz-Jesu-Verehrung? Immerhin: So ganz erloschen ist das Herz Jesu noch nicht. Wenn Jugendliche in ihrer Umwelt auffallen oder provozieren möchten, dann bestellen sie im Internet T-Shirts mit so ausgefallenen Motiven wie dieser Herz-Jesu-Darstellung.

Eigentlich ist doch das Herz ein schönes und beliebtes Symbol, und das nicht nur am Valentinstag oder am Muttertag. Das Herz steht für die Liebe. Und wenn wir uns auf die spezielle Darstellung des Herzens Jesu mit Flammen, Speer und Dornenkrone einlassen, dann werden wir sehen: Unsere Vorfahren im Glauben haben sich jede Menge dabei gedacht. Spüren wir dem ein wenig nach. Zunächst war die Herz-Jesu-Verehrung stets darauf bedacht, dass dieses Herz möglichst naturgetreu dargestellt wird, sodass man sogar die Herzkranzgefäße erkennen kann. Das soll bedeuten: Jesus war ein echter Mensch aus Fleisch und Blut, mit einem echten Herzen. Und er hatte, wie man so schön sagt, das Herz auf dem rechten Fleck. Jesus hatte ein Herz für uns Menschen. So sagte er in der Bergpredigt: „Selig die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden. Selig, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott schauen. (Mt 5, 7-8) Seither steht das Herz Jesu als Symbol für die zentrale Botschaft Jesu Christi von der Liebe: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus ganzem Herzen, und du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ (Mt 22, 38-39)

So weit, so gut. Das eigentlich Tragische am Schicksal Jesu ist meines Erachtens jedoch, dass ihm diese Liebe zu den Menschen weiß Gott nicht gedankt wurde, im Gegenteil: Er musste das Prophetenschicksal des leidenden Gottesknechtes auf sich nehmen. In einem Kirchenlied heißt es: „Dein Herz, verwundet und betrübt, hat uns bis in den Tod geliebt.“ Dafür steht die Dornenkrone, die Jesus bei seiner Hinrichtung getragen hat, und die Lanze, die der römische Hauptmann ihm am Kreuz ins Herz gestoßen hat. So erfüllte sich, was Jesus wiederum bereits in seiner Bergpredigt vorausgesagt hatte: „Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet. Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein.“ (Mt 5, 11-12) Seither nehmen wir in der Nachfolge Christi an dieser extremen Zerreißprobe teil. Wir versuchen, uns ein Herz für unsere Mitmenschen zu bewahren, auch wenn wir dafür paradoxerweise immer wieder Verwundungen und Schläge einstecken müssen, auch wenn es uns manchmal einen Stich ins Herz versetzt und wir unter Hohn und Spott die Dornenkrone aufs Haupt gedrückt bekommen.

Ein letztes Detail darf nicht übersehen werden, und das sind die Feuerzungen, die aus dem Herzen Jesu nach oben führen und die sich in einem Strahlenkranz rund um dieses Herz fortsetzen. Jesus hat einmal gesagt: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen!“ (Lk 12, 49) Das ist das Feuer der Begeisterung und der Leidenschaft für Gott, der Ausdruck eines starken und mutigen Herzens, das Jesus in der Tat hatte. Seine Barmherzigkeit war grenzenlos, aber den Pharisäern, den Schriftgelehrten und Gesetzeslehrern mit ihrer ganzen scheinheiligen Heuchelei konnte er mit prophetischer Leidenschaft ins Angesicht widerstehen. Durch eine wütende Menschenmenge, die ihn in seiner Heimatstadt einen Abhang hinunterstürzen wollte, schritt er mitten hindurch wie Moses durch das Rote Meer. Der romanische Sprachgebrauch hat für diese Charaktereigenschaft ein eigenes Wort: Courage – coraggio – coraje. Dieser Ausdruck kommt vom lateinischen Wort cor – das Herz. Schließlich dürfen wir bei den Feuerzungen, die aus dem Herzen Jesu herausschlagen, auch an die Feuerzungen des Heiligen Geistes denken, die sich auf die Jüngerschar ausgebreitet haben und die den ängstlichen Aposteln den nötigen Feuereifer für die Sache Jesu gebracht haben. Erfüllt von diesem Heiligen Geist rufen wir zum Herrn: „Bilde unser Herz nach deinem Herzen. Komm Heiliger Geist, erfülle die Herzen deiner Gläubigen, und entzünde in ihnen das Feuer deiner göttlichen Liebe!“

Ulrich Manz

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