Erfüllt vom Heiligen Geist

Erfüllt vom Heiligen Geist

Erfüllt vom Heiligen Geist

Zum neuen Schuljahr kann man unseren Schülerinnen und Schülern nichts Wertvolleres wünschen als den Heiligen Geist. Er möge sie in ihrer Entwicklung fördern und bestärken. Die sieben Gaben des Heiligen Geistes mögen ihnen in reichem Maß zuteil werden: der Geist der Weisheit und des Verstandes, des Rates und der Stärke, der Erkenntnis, der Frömmigkeit und der Gottesfurcht. (Jes 11, 2)

In der Tat geht es im Leben nicht nur darum, Wissen zu erwerben und anwenden zu können, sondern im Blick auf das Ganze unseres Daseins auch an Weisheit zuzunehmen. Nur so kann zur Erkenntnis auch das Verständnis kommen, zum Lernen die sichere Beherrschung und zum reinen Faktenwissen die Herzensbildung. Das biblische Buch der Weisheit sagt über Gott: „Mit dir ist die Weisheit, die deine Werke kennt und die zugegen war, als du die Welt erschufst. Sie weiß, was dir gefällt und was recht ist nach deinen Geboten. Sende sie vom heiligen Himmel und schick sie vom Thron deiner Herrlichkeit, damit sie bei mir sei und alle Mühe mit mir teile und damit ich erkenne, was dir gefällt. Denn sie weiß und versteht alles. Sie wird mich in meinem Tun besonnen leiten und mich in ihrem Lichtglanz schützen.“ (Weish 9, 9-11)

Erfüllt vom Heiligen Geist – das ist für mich das leuchtende Ziel jeder christlichen Existenz. Wer vom Heiligen Geist erfüllt ist, der strebt nach Vollkommenheit und Vollendung, und er versucht, in Gottes Gnade zu stehen und sich von ihr beschenken zu lassen. Nach dem Zeugnis des Neuen Testaments war Jesus Christus in einzigartiger Weise vom Heiligen Geist erfüllt und er ist dadurch zum Vorbild für uns alle geworden. Aber nicht nur er – eine ganze Reihe weiterer biblischer Persönlichkeiten werden in der Bibel als vom Heiligen Geist erfüllt beschrieben: König David, der Schöpfer der Psalmen, Johannes der Täufer, seine Mutter Elisabeth, sein Vater Zacharias, die Schar der Jünger am Pfingstfest, insbesondere der Apostel Petrus, der Diakon Stephanus, aber auch Barnabas – und Paulus, dem der auferstandene Herr in einer Lichtvision vor Damaskus erschienen ist. „Alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt und begannen, in anderen Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.“ (Apg 2, 4)

Erfüllt vom Heiligen Geist – das bedeutet für mein persönliches Glaubensleben, ein lebendiges Gottesbewusstsein zu pflegen und in gewisser Weise ein Teil des göttlichen Bewusstseins zu werden. „Keinem von uns ist er fern. Denn in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir.“ (Apg 17, 27-28) Dazu hat uns Jesus Christus eine unendlich wertvolle Wegbeschreibung geschenkt: das Vater unser. In diesem Gebet sprechen wir mit Gott als unserem geliebten Vater. Wir heiligen seinen Namen, indem wir unablässig seine Nähe suchen und seine Gegenwart in unserem Leben erfahren. Wir beginnen zu verstehen, wie sich sein göttlicher Wille und sein unermesslicher Reichtum, seine Kraft und Herrlichkeit in dieser Schöpfung durchsetzen. Wir bitten um unser tägliches Brot, um die Vergebung unserer Schuld, um die Erlösung von allem Bösen, gerade dann, wenn wir in Versuchung geraten, uns von diesem göttlichen Bewusstsein aus Unachtsamkeit oder Vergesslichkeit zu entfernen. Wo wir jedoch ganz und gar eins werden mit dem göttlichen Bewusstsein, da kann Gott in seiner Schöpfung Gestalt gewinnen. Da ist jeder und jede von uns ein Gestalt gewordener Gedanke Gottes.

Als ich selbst noch zur Schule ging, und zwar in die Philosophenschule der Jesuiten in der Münchener Kaulbachstraße, da hat mich das Denken des Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770 – 1831) besonders fasziniert. Für dieses Schuljahr habe ich mir vorgenommen, über eine seiner tiefgründigsten Aussagen nachzudenken. Sie lautet: „Gott ist nur Gott, insofern er sich selber weiß. Sein Sichwissen ist ferner sein Selbstbewusstsein im Menschen und das Wissen des Menschen von Gott, das fortgeht zum Sichwissen des Menschen in Gott.“ (Enzyklopädie § 564) Anders gesagt: Gott  weiß um mich und lebt in mir, und ich lebe und blühe auf in Gott. “Du bist nun mein und ich bin dein, dir hab ich mich ergeben.” (Johann Eccard) Der schwäbische Lyriker Eduard Mörike (1804 – 1875) würde es so ausdrücken: „Das ist die große Stille, die über Stürmen siegt, dass eines Menschen Wille in Gottes Willen liegt.“ Mit etwas Fantasie lässt sich Gott als ein großer lebendiger Organismus begreifen, der von Ewigkeit her seine Schöpfung durchdacht hat und sich in ihr entfaltet, weil es ihm eine Freude ist, in der unendlichen Weite des Universums ebenso wie in den kleinsten und liebevoll gestalteten Details des Mikrokosmos der Materie ganz zu sich zu kommen und bei sich zu sein. Das ist groß. das ist erhaben. Das ist herrlich. „Die Herrlichkeit des Herrn bleibe ewiglich, der Herr freue sich seiner Werke. Ich will singen dem Herrn mein Leben lang, ich will loben meinen Gott, so lang ich bin.“ (Ps 104, 31-33) Nach und nach fügt sich diese Weltanschauung zu der Einsicht zusammen, dass die Vollendung des einzelnen Menschen wie auch der Menschheit als Ganzer darin besteht, vollständig im Selbstbewusstsein Gottes verwirklicht zu sein. Und da Gott sich in diesem selbstbewussten Zustand auf ewig seiner Werke erfreut, besteht der Sinn des Lebens darin, als ein einziger Lobpreis in die Freude Gottes einzustimmen und von ihr erfüllt zu sein. Das vollendete Menschenbild ist also das Bild der Orante: die Arme zum Himmel erhoben, durchdrungen vom göttlichen Geist, anbetend und verherrlichend den in allem gegenwärtigen Gott. Fortan gilt: “Macht euch keine Sorgen. Denn die Freude an Gott ist eure Stärke!” (Neh 8, 10)

Ulrich Manz

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